Arbeitskreis "Vielfalt in der Sennestadt"
Sennestädter Wohnzimmergespräche
„Weltreise durch Wohnzimmer“ hieß ein Projekt, das Catrin Geldmacher 2011 ins Leben rief. Der Arbeitskreis Vielfalt hat sich 2014 diesem Projekt angeschlossen und bisher Gastgeberinnen aus den
Ländern Chile, Italien, der Türkei, Kirgistan, Ungarn und Griechenland gefunden. Die Idee ist, dass Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, Kulturen und Altersgruppen Interessierte einladen,
Gast in ihrem Wohnzimmer zu sein. Sie berichten über Sitten und Gebräuche und bieten ein kleines typisches Gericht aus ihrer alten Heimat an.
Inzwischen heißt die Reihe „Sennestädter Wohnzimmergespräche“ und wird fortgeführt. Siehe Termine
Ankündigung: „Sennestädter Wohnzimmergespräche“ am 07.02.2020
In der Sennestadt leben Menschen aus etwa 50 Nationen. Seit vielen Jahrzehnten setzt sich auch der Sennestadtverein dafür ein, möglichst allen Menschen eine neue soziale und kulturelle Heimat im
Stadtbezirk zu geben. Um das Miteinander zu fördern, veranstaltet der Arbeitskreis Vielfalt des Sennestadtvereins seit Jahren sogenannte „Sennestädter Wohnzimmergespräche“ - Sennestädter*innen öffnen
an einem Abend ihre Wohnzimmer, um bei landestypischen Gerichten und Getränken über ihr Heimatland und das Ankommen hier in ihrer neuen Heimat zu erzählen. Gastgeber*innen, die unterschiedlich lange
in der Sennestadt leben, berichteten bereits über ihre Heimatländer Armenien, Chile, Griechenland, Italien, Kirgistan, die Türkei und Ungarn.
Zu dem nächsten Wohnzimmergespräch am Freitag, 7. Februar 2020, um 19 Uhr, lädt der Arbeitskreis Vielfalt herzlich ein. Ein junger Mann, der in Bielefeld geboren ist, und seine Mutter, die als kleines Mädchen mit ihrer Familie aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist, berichten darüber, wie unterschiedlich sie - Mutter und Sohn - aufgewachsen sind und was sie geprägt hat.
Da die Teilnehmerzahl auf 12 Personen begrenzt ist, wird um Anmeldung bei Brigitte Honerlage, Telefon 05205/6615, gebeten. Die Kosten für den Abend betragen 8 Euro.
NW vom 29.11.2017
Annas Geschichte nebst armenischen Leckereien
Beim siebten Wohnzimmergespräch geht es um Armenien
Sennestadt (kris). Als Begrüßungsgetränk gibt es Ayran, das aus Joghurt und Wasser besteht. „Ich mag es besonders mit einem Löffel Salz“, sagt Anna Avagyan. Die gebürtige Armenierin begrüßte gemeinsam mit dem Arbeitskreis Vielfalt des Sennestadtvereins die zwölf Teilnehmer des Themenabends „Sennestädter Wohnzimmergespräche“, das jetzt im Containerdorf für Flüchtlinge stattfand. Thema diesmal: Armenien. Der Tisch im Café „Miteinander“ des Containerdorfs ist reich gedeckt mit allerlei Leckereien. Eine Obstplatte steht neben einem Teller mit Blumenkohl und Peperoni. Auf einem Korb liegt Lawasch, ein ungesäuertes Fladenbrot. Zwei große Töpfe stehen auf dem Herd nahe der Tische, darin Chaschlama, ein traditionelles Gericht mit Kartoffeln, Paprika und Rindfleisch. Bevor die Besucher des Wohnzimmergesprächs aber zu essen beginnen, erzählt Anne Avagyan von sich und dem Staat Armenien, der im Kaukasus zwischen Georgien, Aserbaidschan, dem Iran und der Türkei liegt. Anna Avagyan ist 2015 mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. „Aus gesundheitlichen Gründen des Vaters“, sagt sie. In ihrer Heimat studierte sie BWL, jetzt hat sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau begonnen. Deutsch brachte Avagyan sich nach der Ankunft in Deutschland erst einmal selbst bei – mit dem Handy. Dann folgte ein Sprachkurs. Neben Armenisch spricht sie auch Russisch. Armenien war bis 1991 eine Unionsrepublik der Sowjetunion, noch heute ist Russisch ein Pflichtfach in armenischen Schulen. „Englisch ist aber die wichtigere Fremdsprachegeworden“, sagt die34- Jährige. Nach den Länderinfos erzählte Anna Avagyan von den Essgewohnheiten der Armenier – und das große Schlemmen beginnt. Gemeinsam mit ihrer Mutter hatte Avagyan die armenischen Spezialitäten für die Teilnehmer zubereitet.
Die Themenländer der Sennestädter Wohnzimmergespräche waren bisher, neben Armenien, die Türkei, Italien, Kirgisistan, Chile, Griechenland und Ungarn.
Griechische Gastfreundschaft erleben
In der Reihe »Sennestädter Wohnzimmergespräche« des Arbeitskreises Vielfalt des Sennestadtvereins erlebten 12 Gäste im Januar 2017 von Paraskevi Kontonikou die vielgerühmte griechische Gastfreundschaft. Bisher hatten Gastgeber aus den Ländern Chile, der Türkei, Italien, Kirgisistan und Ungarn ihre Wohnzimmer geöffnet und ihre Geschichte erzählt, jetzt berichtete die junge Sennestädterin mit griechischen Wurzeln über die Heimat ihrer Eltern, die sie jedes Jahr besucht hat und noch besucht. In den 1960er Jahren waren die Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, angeworben von der Bundesrepublik, die »Arbeitskräfte benötigte, um die volle Auslastung der Produktionsmöglichkeiten im ,Wirtschaftswunderland‘ zu gewährleisten«. Wula – auf den Namen einigten wir uns, eine Kurzform bzw. ein Kosename ihres Vornamens – erzählte uns, dass ihre Eltern mit dem Vorsatz nach Deutschland gekommen waren, hier fünf Jahre zu arbeiten und mit dem Angesparten in Griechenland einen Neuanfang zu wagen. Sie stammten aus der Region Thessaloniki, kamen aus bäuerlichen Verhältnissen und waren wie die Großeltern Selbstversorger. In der Zwischenzeit wurde Wula in Bielefeld geboren und schließlich wurden aus den geplanten fünf Jahren dreißig. Den Eltern war die Erziehung ihrer Tochter sehr wichtig: sie besuchte einen deutschen Kindergarten mit einer griechischen Erzieherin, die für die griechischen Kinder auf spielerische Art und Weise die Muttersprache ausübte. Die Eltern gingen zu griechischen Ärzten, kauften bei Griechen ein und fuhren in den Sommerferien vier Wochen zu den Großeltern nach Griechenland. Das Lebensgefühl des Gastarbeiterkindes Auf die Frage, wie sie sich in ihrer Kindheit und Jugend gefühlt hat, als Deutsche oder als Griechin, antwortete sie, dass für sie ganz klar war, dass die Eltern als griechische Gastarbeiter in Deutschland waren, die nur gearbeitet und nie richtig die deutsche Sprache gelernt haben, aber dass sie sich schon mehr als Deutsche gefühlt hat. Anders als die Eltern ihrer deutschen Freunde unternahmen sie keine Ausflüge, nahmen an keinen sportlichen und kulturellen Aktivitäten teil – das Wort Freizeit war ihnen fremd. Aber sie waren ihre Vorbilder und haben sie für ihr Leben geprägt. Wula machte einen zusätzlichen Abschluss an der Abendrealschule und ihren Betriebswirt, sie hat einen deutschen Lebensgefährten, die doppelte Staatsangehörigkeit und einen Sohn, der aber die griechische Sprache nicht lernen wird. Ihre Eltern leben mittlerweile auf Rhodos und werden regelmäßig besucht. Assistiert von ihrer griechischen Freundin Elly (von Eleftheria = Freiheit), die in Athen lebte, erzählte uns Wula – sehr gut vorbereitet – alles Wissenswerte über die Sprache, die Kultur, das alte und das neue Griechenland –, über Sitten und Gebräuche, die Nationalfeiertage und Feste und ließ dazu Fotos, Bücher und Andenken herumgehen. Die Religion ist vorherrschend orthodox, und gerade das Osterfest unterscheidet sich wenig von dem deutschen, nur dass der Ostersonntag der höchste kirchliche Feiertag ist, zu vergleichen mit Weihnachten in Deutschland. Natürlich gab es griechische Köstlichkeiten! Empfangen wurden die Gäste mit einem Glas Wasser – das traditionelle Begrüßungsgetränk in Griechenland: Der Gast könnte durstig sein, und es wäre unhöflich, ihm kein Wasser anzubieten. Im Hintergrund zeigte der Flachbildschirm stimmungsvolle Bilder der griechischen Insellandschaft, die unterlegt waren mit leiser griechischer Musik. Von wegen Kleinigkeit… Wula und Elly deckten nach der Begrüßung den Tisch mit »dem kleinen typisch griechischen Gericht«: eingelegte Paprikaschoten, mit Reis gefüllte Weinblätter, Pastizio (eine griechische Lasagne), Auberginensalat, Bauernsalat, Spanakopita (Blätterteig mit Spinat und Schafskäse), Tiropita (Blätterteig mit Schafskäse) und Rivani, ein Grieskuchen mit Sirup. Dazu gab es – was auch sonst! – einen roten und weißen Retsina und zum Abschluss einen Ouzo. Die Gäste dankten ihrer Gastgeberin herzlich für den unglaublich informativen Abend, den Einblick in ein Leben, das sich von unserem durch die Herkunft unterscheidet, und die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Griechen.
Brigitte Honerlage